Wer durch den Ort Großkarlbach kommt, dem wendet sich die heute protestantische Kirche von Großkarlbach mit ihrer Südseite zu. Sie hat ein schlichtes hell verputztes Kirchenschiff mit großen Fenstern, daran schließt sich der mächtige mit großen Sandsteinen gemauerte 42 m hoher Turm an. Ein pyramidenförmige Turmhelm, 1733 errichtet, liegt auf seinen Mauern.
Eine einflügelige Holztür führt ins Innere der Kirche und eine doppelflügelige Holztür weiter östlich dient heute als Notausgang. Beide Türen sind gerahmt von einer spitz zulaufenden Sandsteineinfassung mit Rillenornament im gotischen Stil. In früheren Zeiten, als der Begräbnisort für Großkarlbach, der Acker Gottes, um die Kirche lag, boten die Türen einen höheren Durchlass, denn man betrat vom Niveau des Weges, heute Straßenniveau, das Innere der Kirche.
Großkarlbach findet die erste Erwähnung im Lorscher Codex. Zur Sicherung der Einkünfte des Klosters Lorsch wurde die Handschrift, die Besitzungen und damit verbundener Rechte auflistet, begonnen.
Von der Großkarlbacher Kirche gab es einmal eine sichtbare Verbindung zum Palmberg. Dort stand bis ins 16. Jahrhundert eine Kirche, die zu einem Hof des Klosters Marienmünster gehörte. Dieser Parochialkirche (Mutterkirche) auf dem heutigen Palmberg, die zu dem untergegangenen Flecken Berghaselbach gehörte, war unsere Kirche als Filiale (Tochterkirche) zugeordnet. Das Kirchengebäude war damals kleiner als wir es heute vor uns sehen. Die Erweiterung der Kirche 1609/1610 wurde nötig, weil die Bevölkerung wuchs.
Die äußeren Hülle unseres Kirchenschiffs weist eine sichtbare Mauerung von Sandsteinen an den Ecken des Gebäudes auf. So entsteht ein wehrhafter Eindruck, den der massive Turm noch unterstreicht. „Ein feste Burg ist unser Gott“, dieses Lied erinnert daran, dass die Kirche immer auch ein Ort der Zuflucht in bedrohlichen Zeiten war.
Die Menschen in Großkarlbach haben in ihrer Kirche Schutz gesucht. Bei kriegerischen Überfällen, auch bei Plünderungen und noch heute sieht man Schießscharten in den Mauern des Turmes.
Dem sichtbaren Stein im Äußeren entsprechen die gemalten Steine im Inneren. Die Theologen der frühen Kirche sagten mit der Bibel, dass der beste Tempel, das wahrhafte Heiligtum Gottes, die Gemeinde sei. Sie ist der Bau aus den lebendigen Steinen der Gläubigen.
Der Grundriss der Kirche orientiert sich an einem klaren Schema: Die Maße des quadratischen Turmes wiederholen sich zwei Mal in der Länge des Schiffes: 1:2. Der spätere Anbau der Kirche nach Süden bringt die ursprüngliche Mittelachse des Gebäudes aus dem Gleichgewicht. Die Seitenlänge des Turmes beträgt heute 8,48 m.
Nach Norden war einmal eine Sakristei an die Kirche angebaut. Eine heute blinde Tür im Chor hat hinein geführt. 1747-1749 war eine kleine katholische Kirche errichtet worden, die sich im Osten an den Turm angeschlossen hatte. Beides, zusammen mit dem sogenannten „ Großkarlbacher Spritzenhaus“ an der Südseite des Turmes, wurde 1963 abgerissen.
Ein Bogen markiert den Übergang vom Kirchenschiff in den Chor. Der Bogen mündet an seinen Enden in kunstvoll gestaltete Kehlen. Heute steht unter dem Bogen der Altar mit Umgang.
Unsere Kirche in Großkarlbach war dem Patron Sankt Jakobus geweiht.
Wir wissen, dass die Baulast für Großkarlbacher Kirche beim Kloster Marienmünster in Worms lag. In der Zeit, als die Wandmalerei über dem Chorbogen unserer Kirche entstand, war die Marienverehrung ungebrochen. Sie verband die Christen in Großkarlbach und die frommen Frauen des Zisterzienserinnenklosters in Worms.
Vielleicht setzt auch das gotische Maßwerk im Ostfenster des Kirchenschiffs einen Akzent bei der Spiritualität des Mittelalters, die von den frommen Frauen in Worms gepflegt wurde, auch als die Kirche bereits reformiert worden war.
Unser Großkarlbacher Gotteshaus wurde gebaut und verändert und hat die Menschen in Großkarlbach durch die Jahrhunderte begleitet. Die Kirche, ihre Teile und Fragmente sind wie das Leben der Menschen: Stückwerk. Erst das Vollkommene, das noch aussteht, beendet das Stückwerk.